Laborflächen: Eine neue Asset-Klasse auf dem Vormarsch

Onshoring der Pharmaproduktion,
soziodemographischer Wandel und langfristige Mieterbindung sorgen für positives Investmentumfeld.

Christof Winkelmann
Mitglied des Vorstands der Aareal Bank AG
(Chief Market Officer)

Mit Corona, der größten Krise der öffentlichen Gesundheit und deren Auswirkungen auf unsere Wirtschaft und Gesellschaft, ist die Biowissenschaft stärker ins Rampenlicht gerückt. In der Folge ist das Interesse von Investoren an dieser Branche, insbesondere an Unternehmen, die an der Entwicklung von Impfstoffen und wirksamen Behandlungen für COVID-19 und zahlreiche andere medizinische Probleme arbeiten, gestiegen.

Auch Immobilienanleger haben das Thema nun weltweit stärker auf dem Schirm. Für das Entwickeln, Herstellen und den Vertrieb von Vakzinen und Therapeutika, bedarf es schließlich auch Flächen. Dass dabei entlang der gesamten Wertschöpfungskette besondere Anforderungen bestehen, auch das hat sich aufgrund der Pandemie im Bewusstsein der Branche verankert.

Biotech-Unternehmen benötigen nicht nur Büroräume, sondern auch Labor- und „flexible“ Flächen für die praktische Forschung und Entwicklung von Wirkstoffen, medizinischen Behandlungen und Technologien. Der Platz- und ganz konkrete Ausstattungsbedarf für Laborflächen variiert je nach Stadium des Unternehmens und Art der Forschung. Die Objekte verfügen typischerweise über Räumlichkeiten mit bspw. erhöhten und verstärkten Decken, speziellen Klimasystemen und vielen weiteren für Labore erforderlichen Einbauten.

Da viele Tätigkeiten in kontrollierten Umgebungen mit speziellen Geräten durchgeführt werden müssen, können die Arbeitsplätze in den Biowissenschaften nicht ohne weiteres nach Hause verlegt werden – ein Aspekt, der in der Folge der Pandemie für die Überlegungen von Real-Estate-Investorinnen und Investoren zunehmend an Bedeutung gewinnt. Und wenig überraschend zeigte sich der Markt für Laborflächen in der Corona-Pandemie äußerst robust.

Zeichen stehen auf wachsende Nachfrage

Die Aussichten sind gut, dass es sich dabei nicht um einen pandemiebedingten Einmaleffekt handelt. Als langfristige Wachstumstreiber gelten z. B. die Schlüsselrolle der Biotech-Industrie bei der Bekämpfung von global vorkommenden Viruserkrankungen. Hinzu kommt der Trend zum Onshoring als Folge der aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung von Lieferketten: Covid-19 hat den Regierungen vor Augen geführt, dass die Abhängigkeit von entfernt angesiedelten Produktionsstandorten für wichtige pharmazeutische Produkte ein Risikofaktor für die Versorgungssicherheit der eigenen Bevölkerung sein kann. Und nicht zuletzt stehen für den Sektor der Biotechnologie bedingt durch die soziodemographische Entwicklung die Zeichen ganz generell auf Expansion. Die Nachfrage wird durch die wachsende Zahl älterer Menschen angekurbelt – der zunehmende Wohlstand und der medizinische Fortschritt tragen dazu bei, dass altersbedingte chronische Krankheiten zunehmen. Was bedeutet, dass die Menschen mit zunehmender Alterung der Bevölkerung einen noch größeren Bedarf an Arzneimitteln und medizinischen Geräten haben werden, was letztlich den Bedarf an Laborflächen erhöht.

Aus Sicht der Immobilieninvestoren ergeben sich weitere interessante Aspekte. Die Flächen erfordern aufgrund der besonderen Anforderungen beträchtliche Mieterinvestitionen, was wiederum langfristige Mietverträge und stabile Cashflows nach sich zieht. Hinzu kommen attraktive Standorte in unmittelbarer Nähe zu starken Nachfragetreibern wie Forschungszentren, Gründerzentren und Spitzenuniversitäten – und dies in Verbindung mit starkem Rückenwind von der öffentlichen Hand, die hinsichtlich Versorgungssicherheit und fiskalisch großes Interesse an entsprechender Gewerbeansiedlung zeigt.

Markttrends, die zeitlich versetzt aus den USA nach Europa kommen, sorgen für zusätzlichen Finanzierungsbedarf. Ein Beispiel ist „Lab as a Service“, flexibel anmietbare Laborflächen, die langfristig von einem Dienstleister ausgestattet und flexibel an Universitäts-Spin-offs oder Start-ups vermietet werden. Eigene Labors sind für diese Firmen große Investitionen, die in frühen Unternehmensphasen kaum zu finanzieren und nur schwer an den eigenen Bedarf anpassbar sind. Biotech-Cluster-Regionen haben wiederum Interesse am Bereitstellen einer attraktiven Infrastruktur für junge Unternehmungen. Hier ist das Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure für den Aufbau florierender Ökosysteme gefragt.

Starke Anziehungskraft auf institutionelle Investoren

Zusammengenommen ergibt sich ein positives Bild für den langfristigen Bedarf an gewerbliche Immobilien für den Life-Sciences-Sektor, was zunehmendes Interesse von institutionellen Immobilieninvestoren auf sich zieht. Weltweit zeigt sich eine starke Zunahme bei Nachfrage und Transaktionen. Laut Analysen von CBRE, dem weltweit größten Spezialisten für gewerbliche Immobilieninvestments, sind die Investitionen in Life-Science-Immobilien am wichtigsten Biotech-Standort, den USA, im Jahr 2021 um 62 Prozent auf 21,4 Mrd. US-Dollar gestiegen. Für das laufende Jahr wird wieder mit einer zweistelligen Wachstumsrate gerechnet.

In den USA sind hierbei nicht nur spezialisierte Investoren wie Ventas oder der REIT Alexandria, sondern auch große Adressen für Alternative Investments wie Bain Capital oder Blackstone sehr engagiert unterwegs. Und während sich der nordamerikanische Markt nach der Rallye der vergangenen Jahre früher oder später auf eine Beruhigungsphase einstellen dürfte, könnte das Nachholpotenzial europäischer Standorte auch verstärkte Aufmerksamkeit nicht-europäischer Adressen auf sich ziehen. Die Professionalisierung der Immobilienart Labore mit Büroflächen verbunden mit einem erhöhten Interesse institutioneller Investoren und deutlichen Wachstumsraten machen sie attraktiv für uns als Langfristfinanzierer. Die häufig langfristigen Mietvertragsbeziehungen, erstklassigen Objekte an attraktiven Standorten mit hoher Nachfrage einer großen Anzahl potenzieller Mieter passen sehr gut zu unserem Lending-Appetit. Das „Arbeiten vor Ort“ in der Life-Science-Branche stellt insoweit ein auch für Fremdfinanzierer positives Abgrenzungsmerkmal zu herkömmlichen Büroflächen dar.

Dieser Gastbeitrag ist am 22.10.2022 in der Börsen-Zeitung, Special Healthcare, erschienen.

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