KONNEKTIVITÄT

Smart Buildings:
Wir müssen ins Tun kommen!

Wenn Wohnungs- und Energieunternehmen ihre Kräfte bündeln, können sie viel erreichen. Der perfekte Ausgangspunkt für gemeinsame Projekte: das Gebäude. IoT-basierte Smart Buildings und die Smart City können schon bald Realität werden – und uns bei der Bewältigung großer Herausforderungen helfen.

Arne Rajchowski
Leiter der Geschäftsstelle von DigiWoh – dem Kompetenzzentrum DigitalisierungWohnungswirtschaft sowie Referent beim GdW Bundesverband Wohnungswirtschaft

Es gibt Probleme, die schlicht zu groß sind, um ihnen mit Insellösungen beizukommen. Bestes Beispiel: die Emissionen im Gebäudesektor. Zwar sind die Treibhausgasemissionen von Gebäuden hierzulande laut Bundesregierung schon von 210 Mio. Tonnen (1990) auf 120 Mio. Tonnen (2020) gesunken – bis 2030 allerdings soll die Marke von nur noch 67 Mio. Tonnen CO2 erreicht sein. Dieses Ziel wird sich weder durch eine effizientere Heizungsanlage erreichen lassen noch durch eine bessere Wärmedämmung oder die besten Smart-Metering-Technologien. Um die großen Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen, müssen Wohnungs- und Energiewirtschaft ihre Kräfte bündeln und noch enger zusammenarbeiten.

67 Mio. Tonnen CO2

Zielwert für Treibhausgasemissionen des Gebäudesektors im Jahr 2030.

Smart Buildings und Smart City: Von der Theorie in die Praxis

Wie also anfangen? Beide Branchen müssen ins Tun kommen. Ein perfekter Ansatzpunkt für eine intensivierte Kooperation ist das Gebäude. Darin treffen zum einen die Leistungen beider Branchen aufeinander. Zum anderen sind Gebäude ein prägender, sichtbarer Teil einer Stadt, zu denen jeder Mensch eine wie auch immer geartete Beziehung hat. Gebäude neu zu denken, heißt immer auch, einen aktiven Teil der Stadtentwicklung zu übernehmen.

„Wohnungs- und Energiewirtschaft sollten jetzt ganz pragmatisches Learning by Doing betreiben.“

Es ist kurios: Wir wissen noch immer sehr wenig darüber, wo wir konkret ansetzen können. Wohnungs- und Energiewirtschaft sehen aktuell den Wald vor lauter Bäumen nicht und scheinen ob der Vielzahl von Optionen und Herausforderungen wie gelähmt. Und das wird sich auch nicht ändern, wenn wir weiter auf theoretischer Ebene über Smart Buildings oder die Smart City sprechen. Aus meiner Sicht empfiehlt es sich immer, mit einem Pilotprojekt zu starten und ganz pragmatisches Learning by Doing zu betreiben. An einem konkreten Beispiel können die beiden Branchen sehr viel schneller und einfacher ein gemeinsames Verständnis entwickeln, was sie eigentlich machen wollen und wo die Reise hingehen könnte. Wer sich ein echtes Gebäude vornimmt, kann daran leichter ein Zielbild für ein Smart Building definieren und Strukturen aufsetzen als das von einem sterilen Konferenztisch aus zu tun.

Die Voraussetzungen sind vorhanden: Am Markt gibt es spannende Technologien zum Beispiel im Bereich der Sensorik und aus der Forschung interessante Erkenntnisse etwa zur Begrünung von Gebäuden und Straßen. Die große Aufgabe von Wohnungs- und Energiewirtschaft ist es, diese Technologien und Erkenntnisse heranzuziehen – und sie in Form von praktischen Projekten in den Bestand auszurollen. Ansatzpunkt sollten konkrete Herausforderungen sein, die es aktuell im Bestand gibt oder die von außen an die Branchen herangetragen werden, etwa die CO2-Steuer oder die nötige Klimaberichterstattung. Diese Themen gilt es vernünftig zu adressieren – und dann die verfügbare Technik in die Lösungsansätze zu integrieren.

Bei den alltäglichen Jetzt-Problemen starten

Nur wenige Unternehmen aus Wohnungs- oder Energiewirtschaft haben eine eigene Innovationsabteilung. Bei den meisten kommen solche Projekte auf das Tagesgeschäft obendrauf. Da ist es hilfreich, nicht zu sehr in Smart-City- oder andere Visionen abzudriften, sondern bei alltäglichen Jetzt-Problemen zu bleiben. Der Facility Manager etwa wird sich weniger für eine KI-basierte Gebäudesteuerung in einem Smart Building interessieren als für eine Drohne, die das Gebäude von oben fotografiert – und ihm die Kletterpartie aufs Dach erspart.

„Den eingefahrenen Blick auf Gebäude öffnen und nach links und rechts schauen.“

Gleichzeitig müssen und sollten wir aber auch etwas größer denken: In unseren Städten werden die steigenden Temperaturen zunehmend zum Problem. Ein Großteil der Fläche ist versiegelt, es gibt zu viele Glasfassaden und zu wenig Grün. Mehr Begrünung könnte maßgeblich zur Senkung der Stadttemperatur beitragen und die Luftqualität erhöhen. Da kommen wir aber nur hin, wenn wir den eingefahrenen Blick auf Gebäude öffnen und nach links und rechts schauen. Wenn wir einem Gebäude eine Grünfassade geben, wie verändert das die Temperatur im Kindergarten nebenan?

Internet der Dinge als wichtige Basis

Das Internet der Dinge (IoT, Internet of Things) ist eine wichtige Basis, um jetzt Lösungen zu entwickeln: Vernetzung und Datenbasiertheit sind immanenter Bestandteil jeder Digitalisierung, und die Smart City ist eine Ausprägung der Digitalisierung einer Stadt. Dass wir Smart Buildings brauchen, ist längst unstrittig. Energie- und Wohnungsunternehmen haben jetzt die spannende Chance und Aufgabe, eine gemeinsame IoT-Infrastruktur aufzubauen. Dabei sollten sie keinesfalls selbst Lösungen entwickeln wollen, denn das ist technisch zu komplex. Stattdessen sollten sie vorhandene Kompetenzen nutzen und sich starke Partnerunternehmen für die Technologie suchen. Das bedeutet, sich für globale Player wie Google oder Amazon zu öffnen. Es gibt aber auch gute, europäische Unternehmen.

Eine große Chance sehe ich in diesem Zusammenhang: Im Moment wissen wir sehr viel, bevor wir ein Gebäude bauen. Da gibt es massenhaft Planungs- und Bedarfsdaten. In Zukunft aber müssen wir mittels Vernetzung, Datenbereitstellung und -erfassung viel stärker den Ist-Zustand des Gebäudes darstellen. Wenn wir diesen Schwenk schaffen von den Planungs- hin zu den Ist-Daten, wenn wir letztere künftig mit modernen Schnittstellen in Echtzeit abrufen können, dann wäre das ein großer Wettbewerbsvorteil für die Wohnungs- und Energiewirtschaft in Deutschland. Denn derart IoT-ausgestattete Smart Buildings passen perfekt in den Industrie-4.0-Gedanken. Damit würden wir uns abheben von den großen, chinesischen und amerikanischen Konzernen: Die stürzen sich vor allem auf den Mieter oder die Mieterin – und weniger auf das Gebäude selbst.

EU-Klimataxonomie als Treiber und Aufdecker

Wichtig ist, dass die Unternehmen dem Drang widerstehen, alles Mögliche zu vernetzen, ohne eine Basisidee entwickelt zu haben. Stadtwerke etwa agieren gern mit Parkplatzsensoren via Netzwerken – aber welches ganz konkrete Problem ist damit eigentlich gelöst? Ziel muss sein, planvoller vorzugehen und sich gut zu überlegen, welche IoT-Anwendungsgebiete einen echten Mehrwert bieten. Außerdem braucht es aus meiner Sicht in beiden Branchen dringend mehr Kompetenz in Richtung Datenanalyse, von der Erfassung bis zur Auswertung.

„Die Taxonomie schafft ein gemeinsames Verständnis.“

Die EU-Klimataxonomie wirkt dabei als großer Treiber und Aufdecker. Wir brauchen Daten für die Finanzierung von Neubauten und die Sanierung des Bestands und merken nun, wie wenig wir eigentlich wissen. So kommt es zum Beispiel vor, dass eine neue Nachhaltigkeitsreferentin feststellen muss, dass sie in ihrem Job erst mal das Problem nicht vorhandener Daten lösen muss, um dann einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Die Erfüllung der EU-Klimataxonomie erfordert massenweise Daten. Um die zu erfassen, brauchen Energie- und Wohnungsunternehmen automatisierte Prozesse. Insofern geht mit der Umsetzung der Anforderungen für beide Branchen eine große Chance einher: Die Taxonomie schafft ein gemeinsames Verständnis – und kann als gemeinsamer Anker dienen auf dem Weg zu mehr Konnektivität.

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