MOBILITY-AS-A-SERVICE

Wie mobil darf es sein?

Mobilität als Service ermöglicht ein Mobilitätskonzept, das für höchste Flexibilität und nahtlose Beförderung unabhängig vom eigenen Auto sorgt. Was es braucht, ist die Kooperation und ein Weiterdenken aller beteiligten Akteure – auch in der Wohnungs- und Energiewirtschaft.

In der Zukunft bleibt das Auto nicht nur öfter stehen, der Besitz des eigenen Autos verliert insgesamt an Bedeutung. Und dennoch schafft diese Zukunftsvision nahtlose Mobilität, insbesondere im urbanen Raum. Ein Morgen ohne eigenes Auto? Diese Abkehr vom Besitzdenken ist heute nicht länger grüne Utopie. Das Verständnis individueller Mobilität wandelt sich und geht Hand in Hand mit den Möglichkeiten einer fortschreitenden Digitalisierung sowie einem wachsenden Angebot an App- und plattformbasierten Mobilitätsdienstleistungen. Gleichzeitig werden Forderungen nach nachhaltigeren, CO2-neutralen Mobilitätskonzepten lauter. Es zeichnet sich ab: Die Mobilität der Zukunft ist von jedermann nutzbar, ist digital vernetzt, setzt auf den Elektroantrieb und fährt autonom.

Prognosen gehen davon aus, dass das weltweite Volumen des Mobility-as-a-Service-Markts bis zum Jahr 2026 auf 327 Milliarden US-Dollar steigen wird.

Damit diese Weichenstellung für ein neues Mobilitätsverständnis erfolgreich genutzt werden kann, braucht es auch ein Umdenken beteiligter Akteure wie der Energie- und Wohnungswirtschaft. Wenn diese und andere betroffene Branchen ihre Expertise in den Dienst neuer Mobilitätskonzepte stellen, eröffnen sich große Potenziale für neue, zukunftsfähige Geschäftsmodelle.

 

Vom Status Quo zur nahtlosen Dienstleistung

Der Verkehr ist einer der größten CO2-Verursacher in Europa: Er ist verantwortlich für fast 30 Prozent der europäischen CO2-Emissionen, von denen 72 Prozent im Straßenverkehr entstehen. Über 60 Prozent dieser im Straßenverkehr freigesetzten CO2-Emissionen sind auf PKW zurückzuführen.

Gleichzeitig ist Mobilität ein Basisprinzip des 21. Jahrhundert. Sie steht für Teilhabe, Freiheit und Selbstverwirklichung. Wie also anfangen, um den Spagat zwischen individuellen und wirtschaftlichen Mobilitätsbedürfnissen sowie der Forderung nach CO2-Neutralität und Nachhaltigkeit zu meistern? Indem Mobilitätskonzepte dort ansetzen, wo die Autos bisher die Nase vorn hatten: beim Komfort.

72%

der europäischen CO2-Emissionen enstehen im Straßenverkehr.

In der reibungslosen Beförderung von A nach B hatten die Autos bisher den Vorteil. Mobility-as-a-Service-Konzepte (MaaS) setzen dagegen auf leicht zugängliche, multimodale und integrative Mobilitätskonzepte, die öffentliche Verkehrsmittel und Sharing-Angebote in den Fokus rücken. Seamless Mobility ist das Ziel. Doch da hört es nicht auf: Für ein Höchstmaß an Flexibilität setzt MaaS nicht nur auf motorisierte Angebote, auch die aktive Bewegung und die Mobilität per Fahrrad und zu Fuß werden eingebunden. Das ist besonders wichtig in Zeiten, in denen durch verstärkte Arbeit im Homeoffice die Bewegungsradien andere sind und sich Ansprüche an Mobilität ändern.

 

Serviceökonomie für den Menschen statt Disruption

Damit MaaS-Konzepte sich durchsetzen, müssen sie nicht nur im kommunalen Maßstab funktionieren, sie müssen Grenzen überwinden: zwischen Branchen und perspektivisch auch zwischen Ländern. MaaS ist keine Konkurrenz zu bestehenden verkehrstechnischen Infrastrukturen. Es ist die konsequente Weiterführung dieser bestehenden Konzepte und ergänzt sie durch technische Möglichkeiten. Verkehrsangebote werden auf Plattformen gebündelt und über App-basierte Lösungen komfortabel zugänglich für die Endnutzer.

 

Der Mensch mit seinen individuellen Mobilitätsansprüchen rückt in den Mittelpunkt eines neuen Service-Angebots.

Mussten Transportmittel (Taxis, Uber, Carsharing, Zugfahrten oder ÖVP) bisher einzeln geplant, gebucht und bezahlt werden, vollzieht sich mit MaaS ein Paradigmenwechsel: Der Weg von A nach B wird zum reibungslosen, integrierten Erlebnis.

Es ist mehr als reine Zukunftsmusik – und MaaS ist mehr als ein schillerndes Schlagwort. Die Technologien, die MaaS als kundenzentriertes Produkt-Service-System zu einem wesentlichen Puzzlestück der Verkehrswende machen können, sind längst Bestandteil unseres Alltags: Die Zukunft der Mobilität wird mit der Integration öffentlicher und gepoolter Mobilitätsoptionen auf IT-Plattformen möglich. In Berlin und München etwa bündeln die städtischen Verkehrsbetriebe bereits verschiedene Dienste auf multimodalen Mobilitätsplattformen und Apps für ihre Kunden.

Die Konzepte beinhalten Mobilitätsstationen, die Halte- und Parkflächen für geteilte und gepoolte Fahrzeuge freihalten und so eine unkomplizierte Nutzung verschiedener Transportmittel im Nahverkehr ermöglichen. Mit Mobility inside bündelt der Deutsche Verkehrsbund überregional lokale Verkehrsunternehmen und -verbünde auf einer Plattform mit einer App für die Endnutzer. Diese plattformbasierten Angebote sind eine Chance für Branchen, die schon heute mit Geschäftsmodellen arbeiten, die das Potenzial von IT-Plattformen nutzen – wie etwa die Energiewirtschaft. 

In der Kooperation mit anderen Branchen und Marktteilnehmern kann diese Plattform-Expertise in neue Service-Angebote und Geschäftsmodelle übertragen werden, etwa im Bereich der Abrechnungs-dienstleistungen oder beim Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur.

Governance, Kooperation,
Kundenfokus – was braucht MaaS?

Hinter der Attraktivität von MaaS-Konzepten für die Endkunden steht ein hochkomplexes Geschäftsmodell. Unternehmen verschiedenster Branchen – mit ihren jeweils eigenen Geschäftsinteressen – müssen hier zusammen agieren, wenn die Konzepte funktionieren sollen. Stark regulierte Nahverkehrsbetriebe treffen auf betriebswirtschaftliche Unternehmen und innovative Start-ups. Wie gestaltet sich nun die Kooperation? Mit Blick auf den deutschen Raum scheinen derzeit zwei Szenarien möglich:

 

1.  Eine zersplitterte Anbieterlandschaft

In diesem Szenario konkurriert eine Vielzahl von Anbietern aus dem öffentlichen und privaten Sektor insbesondere um den Marktanteil in Städten. Dies würde die Koexistenz unterschiedlicher Plattformlösungen bedeuten. Und es würde die Interoperabilität der IT-Schnittstellen, den Echtzeit-Datenaustausch, aber auch die Komplexitäten für die Kunden erhöhen. Eine solche Strukturdichte würde es für Kommunen zudem schwer machen, Sozial- und Umweltstandards in den einzelnen MaaS-Angeboten sicherzustellen.

 

2.  Öffentliche Daseinsfürsorge

In diesem Szenario würden Stadtverwaltungen und öffentliche Nahverkehrsbetriebe zu Plattformarchitekten und -betreibern. Ökologische und soziale Standards wären so zwar leichter umsetzbar, die prekäre Einnahmesituation vieler Nahverkehrsbetriebe und der Investitionsstau in vielen Regionen sowie das herrschende Leitbild der Angebotszentrierung in der öffentlichen Verkehrsplanung sind aber realistische Erfolgshemmnisse in diesem Szenario. Würde das MaaS-Angebot den Endkunden dann tatsächlich die nachhaltigere Route vorschlagen oder doch auf die Verkehrsmittel des Verbunds verweisen?

 

Was braucht es also, damit MaaS-Modelle erfolgreich starten können? Es braucht Standards und gesetzliche Regelungen – gerade mit Blick auf die Sicherheit bei der Nutzung und den Austausch von Echtzeit-Mobilitätsdaten. Auf europäischer Ebene soll dies der Digital Single Market leisten. Aber noch ist man selbst auf der Ebene des deutschen Marktes weit entfernt von einem reibungslosen Datenaustausch, einheitlichen IT-Standards und der generellen Interoperabilität digital vermittelter Produkt-Services.

Der Kulturwandel ist ein Muss, auch für die
Wohnungswirtschaft und Energiewirtschaft

Um die Hürden zu überwinden, die in MaaS-Konzepten aktuell noch auftreten können, ist eine neue Kultur der Zusammenarbeit nötig. Dafür muss auch die Frage gestellt werden, ob sich alle Akteure dieser neuen Mobilitätskultur ihrer eigenen Rolle bewusst sind. Mobility-as-a-Service ist nicht nur ein Zukunftsmarkt für den öffentlichen Nahverkehr oder Start-ups mit Car-Sharing-App und E-Lastenrad-Verleih. MaaS betrifft auch ganz besonders die Energie- und Wohnungswirtschaft, die mit Blick auf die Mobilität der Zukunft auch ihre Rolle als Infrastruktur-Gestalter neu denken sollten.

 

Denn wo entstehen zukünftig die Mobilitäts-Hubs, wer stellt die Ladeinfrastruktur bereit, wer verfügt über die Expertise in Abrechnungssystemen?

Bevor der Blick also auf die Akzeptanz der Endnutzer fällt, stellen sich folgende Fragen: Gibt es eine gemeinsame Vision für Mobility-as-a-Service? Und sind sich die MaaS-Akteure der Potenziale bewusst, die es hier zu heben gibt? Und wenn nicht, was steht ihrem Engagement im Wege?

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