SMART CITY

Smart City – Chancen für die Wohnungs- und Energiewirtschaft

Das Konzept der Smart City ist ein Wachstumsmarkt und steht laut Experten vor einem Boom. Wohnungsunternehmen und Energieversorger können von diesem Markt profitieren, indem sie als kundenorientierte Dienstleister neue, innovative Geschäftsmodelle erschließen.

Das Bewusstsein bei Entscheidern in Städten und Kommunen, dass die digitale Transformation unserer Lebensräume dringend notwendig ist, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Und die Investitionsbereitschaft ist erfreulicherweise groß. Pilotprojekte für intelligente Städte profitieren nicht nur von staatlichen Förderungen, auch privatwirtschaftlich steht der Markt für Smart-City-Anwendungen möglicherweise vor einem riesigen Boom. Das Bremer Marktforschungsinstitut Trendresearch rechnet allein in Deutschland mit einem Anstieg des Marktvolumens von Smart-City-Projekten von derzeit etwa 36 Mrd. Euro auf bis zu 47 Mrd. Euro im Jahr 2030. Wohnungs- und Energiewirtschaft können von diesem Markt profitieren, indem sie als kundenorientierte Dienstleister neue, innovative Geschäftsmodelle erschließen und mit dem Ausbau der Infrastruktur, Vernetzung und dem Handling von Daten die Mieter- und Kundenzufriedenheit steigern.

Das Bremer Marktforschungsinstitut Trendresearch rechnet allein in Deutschland mit einem Anstieg des Marktvolumens von Smart-City-Projekten von derzeit etwa 36 Mrd. Euro auf bis zu 47 Mrd. Euro im Jahr 2030.

Vermieter als Serviceanbieter

Die Wohnungswirtschaft profitiert hier vom energieeffizienten Neubauboom urbaner Quartie-re sowie klimagerechter Gebäudesanierung, was zum Erhalt und zur Aufwertung des Bestands beiträgt. Eine aktuelle Studie von PwC zeigt:

80 Prozent der Entscheider aus der Immobilienbranche halten nachhaltige Produkte für wettbewerbsfähig und sehen in nachhaltigen Produkten Vorteile für ihr Risikoprofil.

Mit neuen Wohnkonzepten für gemeinschaftliches Wohnen steigt auch die Nachfrage nach digitalen Services, die Mietern und Vermietern Komfort bieten und vorhandene Ressourcen effizienter nutzen. Wohnungsunternehmen treten damit gegenüber Mietern als Dienstleister auf, die einfache, automatisierte Prozesse per App anbieten. Von digitaler Kommunikation über transparente Verbrauchsabrechnung, Wartung bis hin zu Services wie Brötchendienst oder der Buchung einer Waschmaschine im Gemeinschaftswaschraum. Die Möglichkeiten sind vielfältig, die notwendige Technik dafür zunehmend verfügbar und letztlich winken außerdem erfolgversprechende Kooperationen mit Start-ups.

Prof. Chirine Etezadzadeh,
Leiterin des Smart City Institute und Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Smart City e.V.

„Stadtwerke sollten ihre Rolle erkennen und mit politischer Unterstützung den Lead in der Smart City-Entwicklung übernehmen. Kommunale Unternehmen müssen ihre konventionellen Geschäftsfelder zukunftsfähig machen, sich auf eine weiterentwickelte Daseinsvorsorge ausrichten und das Aufkommen digitaler Geschäftsmodelle vorbereiten.“

Steuerung der urbanen Energiewend

Städte spielen eine wesentliche Rolle bei der Energiewende. Lokale Energieversorger wie Stadtwerke sind prädestiniert dafür, diese mitzugestalten, da sie über die Expertise beim Auf-bau und zum sicheren Betrieb von großflächigen Infrastrukturen verfügen. Im Zuge von Smart-City-Projekten haben sie nicht nur die Möglichkeit, ihr Netz auszubauen und etwa mit Smart Grids die dezentrale, nachhaltige Energieversorgung zu ermöglichen. Über die klassische Ver-sorgerrolle mit Strom, Gas oder Wärme hinaus können sich Energielieferanten zu einem mo-dernen Infrastruktur-, Energie- und Servicedienstleister entwickeln.

Prof. Chirine Etezadzadeh, Leiterin des Smart-City-Institute und Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Smart City e.V. ist überzeugt, dass hier Energieversorger, insbesondere Stadtwerke zum Zuge kommen.

Großes Geschäftspotenzial sieht die Expertin hier in der Bereitstellung, der intersektoralen Vernetzung und der Steuerung heutiger und zukünftiger Infrastrukturen und verweist dabei auf das Betreiben von Plattformen, Datenmanagement und Datenverwaltung. „Wenn nicht unsere Stadtwerke diese Aufgaben übernehmen, werden es andere tun und das wäre nicht gut für unsere Bürger.“

Gesteigertes Interesse an smarten Angeboten

Wie viel Potenzial in neuen Geschäftsfeldern steckt, zeigt eine Befragung von Oliver Wyman 2020 (s. Infobox). Das Interesse von Endkunden an Smart-City-Angeboten ist da, insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Verwaltung und Mobilität. Dabei befindet sich die Zahlungsbereitschaft für „smarte Extras“ mit 72 bis 124 Euro pro Jahr zwar noch auf bescheidenem Niveau, Energieversorgungskonzepte, die auf erneuerbare Quellen setzen, sind den Befragten allerdings schon 255 Euro pro Jahr wert.

(von 1000 befragten Endkunden Interesse in %)

 

  • 50 % Breitbandinfrastruktur

  • 43 % Digitale Verwaltung

  • 42 % Intelligente Parklösungen

  • 38 % Lokale, dezentrale, erneuerbare Energiekonzepte

  • 37 % Verkehrsleitsysteme

  • 36 % Intelligente Straßenbeleuchtung

 

Quelle Oliver Wyman 2020

Synergien durch Sektorenkopplung

Für Kunden könnte damit ein ganz neues Convenience-Zeitalter anbrechen. Die Vision: Sie schließen nur noch einen Vertrag mit den Kommunalunternehmen ab und nehmen dadurch eine Vielzahl von Dienstleistungen in Anspruch. Voraussetzung hierfür ist der Schulterschluss zwischen verschiedenen Sektoren und Branchen. Die Kooperation der Wohnungswirtschaft mit der Energiewirtschaft bietet hier viele Vorteile. Beispielsweise im Einbau von Sensoren zur Gebäudeautomatisierung [IoT], die direkt im Zuge von Neubau oder Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Eine zentrale Steuerung stimmt die Kommunikation der Geräte optimal aufeinander ab und gleicht somit Leistungsschwankungen aus.

Energieversorger können hier auch ihre Infrastruktur nutzen, um Smart-City-Initiativen in Bereichen außerhalb des Energiesektors zu unterstützen. So könnten intelligente Zähler eines Versorgungsunternehmens genutzt werden, um Wasserlecks zu erkennen. Intelligente Straßenlaternen können mit Ladestationen, Videokameras, Wi-Fi und Sensoren ergänzt werden, um Daten von Verkehrsmustern und der Verfügbarkeit von Parkplätzen zu sammeln. Da die Versorgungsunternehmen mit praktisch jedem Haus und Unternehmen in der Stadt vernetzt sind, können sie Smart-City-Initiativen zudem im Hinblick auf Smart-Home Anwendungen ausweiten.

Eine zentrale Steuerung stimmt die im Gebäude installierten Geräte und den Verbrauch optimal aufeinander ab und gleicht Lasten aus.

Kooperativer Angang

Bei der Umsetzung von Smart-City- Konzepten sind Stadtverwaltungen auf die Unterstützung durch kompetente Partner angewiesen. Eine Chance für Wohnungsunternehmen und Energiedienstleister, um sich einzubringen. Dr. Klaus Neuhäuser, der Vizepräsident des Verbands deutscher Unternehmensberater, sieht großes Potenzial in einer gemeinsamen Strategie:

„Das Thema Smart Cities bietet […] für Kommunen und kommunale Unternehmen gleichermaßen die besondere Chance, den Transformationsprozess nicht isoliert beziehungsweise parallel anzugehen, sondern gemeinsam. Die Devise lautet: Für den Bürger und dessen Bedürfnisse müssen durch die Sektorenkopplung gemeinsam attraktive Leistungspakete geschnürt werden. Stadtwerke, ÖPNV-Unternehmen oder die Wohnungswirtschaft könnten diese Rolle wahrnehmen, da sie Dienstleistungen bündeln und mit unterschiedlichen Partnern zusammenarbeiten können.“

Hürden und Herausforderungen

Zur Bewältigung der Herausforderungen, die die Urbanisierung mit sich bringt, existieren zahlreiche interessante Konzepte und Ideen. Doch bei der Umsetzung sind noch Hürden zu nehmen:

 

Fehlen von Zuständigkeiten

Der Wandel zur Smart City gelingt nur durch Kooperation. Zu der Aufgabe, Energieversorgungs-, Verkehrs- und Wohnungsunternehmen an einen Tisch zu holen, gesellt sich die Herausforderung nach einer zentralen, kompetenten Steuerung.

Risiko Datensicherheit

Der Erfolg einer Smart City hängt im Wesentlichen von der Menge und Qualität der verwendeten Daten ab. Die umfassende Sammlung und Nutzung von „Big Data“ – gerade aus verschiedenen Segmenten – kollidiert jedoch mit geltendem Datenschutzrecht, das auf Prinzipien wie Datenminimierung, Datensparsamkeit und Zweckbindung beziehungsweise Verknüpfungsverbot basiert. Abgesehen von der Regulatorik ist Deutschland im Umgang mit Daten besonders sensibel.

Silodenken

Smart-City-Strategien werden nur dann wirksam, wenn die Bürger sie verstehen und als nützlich empfinden. Die Entwicklung der Smart City muss demnach auf die Bedürfnisse der Bürger ausgerichtet sein. Kommunale Unternehmen halten jedoch oft noch an eigenen tradierten Kompetenz- und Themenfeldern fest, die für die Bürger nicht unbedingt nachvollziehbar sind.

75 Prozent der Bundesbürger bringen kommunalen Unternehmen ihr Vertrauen entgegen, demgegenüber Großkonzernen nur 16 Prozent.

Als Hoffnungsschimmer kann die Tatsache gelten, dass kommunale Unternehmen bei den Bürgern einen enormen Vertrauensvorschuss genießen. So zeigt eine aktuelle Forsa-Studie, dass 75 Prozent der Bundesbürger kommunalen Unternehmen Vertrauen entgegenbringen, demgegenüber empfinden nur 16 Prozent Großkonzerne als vertrauenswürdig. Gute Gründe, die dafür sprechen, z. B. den Umgang mit dem immensen Datenschatz in kommunaler Hand zu belassen. Kommunale Unternehmen müssen nur über ihren Schatten springen und aus der eigenen Perspektive hin zu einer gemeinsamen Vision finden.

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