URBANISIERUNG

Willkommen in der Smart City!

Die Urbanisierung zum Vorteil aller gestalten: Das gelingt, wenn alle Engagierten an einem Strang ziehen und die Menschen in der Stadt einladen, sich daran zu beteiligen. 

Prof. Dr. Anabel Ternès 
Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Anabel Ternès, Zukunftsforscherin und Expertin für Digitalisierung, Gesundheit und Nachhaltigkeit.

Wer urbane Zentren in Deutschland genauer betrachtet, könnte den Eindruck gewinnen, dass die Menschen, die dort wohnen oder zu Besuch sind, nicht unbedingt willkommen seien. In den Straßen staut sich der Verkehr, zusätzlich blockiert von Lieferfahrzeugen, die in Coronazeiten deutlich mehr transportieren. Neue Konzepte sollen die Mobilitätswende einleiten, belasten aber den Verkehr zusätzlich und lassen bestimmte Personengruppen wie etwa ältere Menschen außen vor. Wo Pkws von den Straßen verbannt werden, um den Verkehr zu beruhigen, verlagert der sich in benachbarte Straßen. Parallel beklagt der Einzelhandel dramatische Umsatzeinbrüche, die zu Schließungen und Leerstand führen.

Schon an diesen wenigen Beispielen wird klar: Die Herausforderungen der Urbanisierung sind vielfältig. Insellösungen helfen nicht weiter. Erforderlich ist ein ganzheitlicher Ansatz, der alle gesellschaftlichen Gruppen im Blick hat.

Urbanisierung gemeinsam gestalten

Städtische Akteure wie Kommunen, Unternehmen der Wohnungs- und Energiewirtschaft oder andere kommunale Dienstleister sind aufgerufen, sich an einen Tisch zu setzen, um eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Sie sollten sich als Gastgeberin und Gastgeber verstehen, die Menschen einladen, sich einzubringen.

Die Menschen wollen bei der Gestaltung ihres Quartiers und ihrer Stadt mitbestimmen. Daher sollten städtische Akteure bei der Implementierung von Smart-City-Konzepten ein offenes Ohr für ihre Bedürfnisse haben und niedrigschwellige Angebote zur Teilhabe schaffen. Bei Bauprojekten etwa unterstützen digitale 3-D-Modelle dabei, die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger schon in der Planungsphase zu berücksichtigen.

Chancen für die Wohnungswirtschaft

Gleiches gilt für die Revitalisierung der Innenstädte. Gute Gastgeberinnen und Gastgeber schaffen Räume für einen angenehmen Aufenthalt und ermöglichen Gemeinschaft. Ein abwechslungsreiches Einkaufserlebnis mit individuellen, regionaltypischen Angeboten und attraktiven Begegnungsstätten kann Innenstädte wieder attraktiv machen. Für die Immobilien- und Wohnungswirtschaft bietet sich die Chance, diese Räume zu gestalten. Sei es in den Innenstädten, wo Umnutzung Raum für Begegnung schafft, oder durch die gemischte Nutzung von Gebäuden für Wohnen, Kitas, Seniorenprojekte und Einkaufen zur Belebung ganzer Stadtviertel und Blocks. Auch hier empfiehlt es sich, zunächst einfach zuzuhören, was die Menschen benötigen und was sie sich wünschen.

Mobilität ganzheitlich gedacht

Umsichtige Gastgeberinnen und Gastgeber kümmern sich auch um angemessene Versorgung und Mobilität. Eine nachhaltige Mobilitätswende erfordert flexible Konzepte, die nicht noch mehr Angebote schaffen für jene, die in den Innenstädten ohnehin schon mobil sind. Wichtiger ist, die Bedarfe aller, die am Verkehr teilnehmen, in den Blick zu nehmen, also auch die der Kinder, der Älteren und der Menschen, die im Umland oder auf dem Dorf leben. Um den Verkehr nicht noch mehr zu belasten, ist es sinnvoll, vorhandene Potenziale zu entfalten. Die Energiewirtschaft sollte dabei Kreisläufe schaffen, die Energie intelligent auszuschöpfen.

Einfühlsame Gastgeberinnen und Gastgeber achten auf Transparenz und Kommunikation. Was erwartet die Gäste bei bestimmten Maßnahmen? Mit welchen Konsequenzen ist zu rechnen? Wenn Straßen verkehrsberuhigt werden, nimmt der Verkehr in angrenzenden Straßen zu. Wo gebaut wird, steigt der CO2-Ausstoß. All dies sollte sich die Wohnungswirtschaft bewusst machen. Gemeinsam mit allen Beteiligten lassen sich Probleme besser lösen.

Start-ups als Turbos für die Smart City

Start-ups verdichten Themen rund um den urbanen Wandel, ob Energie, Verkehr, Wohnen, Mobilität oder städtische Revitalisierung. Mittel zur Förderung sind vorhanden, doch oft scheitert es am Papierkrieg oder an Regularien. Start-ups und komplizierte, langwierige Genehmigungsverfahren – das passt einfach nicht zusammen. Städte müssen auch hier deutlich vernehmbarer als bisher Einladungen für Unternehmerinnen und Unternehmer aussprechen und den Weg für Innovationen und Gründungen freimachen.

Digitalisierung souverän angehen

Das Leben in den Smart Cities fordert auch von den Menschen, die dort wohnen, ein Umdenken und neues Handeln. Vieles wird digitaler, automatisierter, technisierter. Dafür erforderlich ist digitale Souveränität. Das Ziel ist, im Überangebot digitaler Lösungen und Apps nicht die Entscheidungshoheit abzugeben und zum „Menschinenwesen“ zu werden. Diesen Begriff verwende ich in meinem neuen Buch „Ferngesteuert?! Hin zur digitalen Souveränität“, um deutlich zu machen: Digitalisierung soll das Leben der Menschen vereinfachen, sie aber nicht zu Maschinen herabstufen, die jede Entscheidung digital outsourcen. Denn damit schwindet auch die Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse. Wer eine Schrittzähler-App über sein Wohlbefinden entscheiden lässt, verliert irgendwann das Gefühl für seinen Körper und seine Fitness.

Urbanisierung ist auf die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger angewiesen, um die Voraussetzung für entspanntes Wohnen und Arbeiten sowie effiziente und menschengerechte Mobilität und Versorgung zu schaffen. Nur so entstehen Städte, in denen sich Menschen willkommen fühlen. 

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